Text / Fotos: G. Buggenhagen, H. Drost
Eine Reise – zwei Berichte
Reise von Sylvia, Gerhard und Holger mit der Zsuzsa im Sommer 2022
Als ich, wie immer ziemlich regelmäßig aus unsere Homepage ging, war ich über einen „Törnbericht“ etwas überrascht. Den Namen des Seglers war mir gänzlich fremd, obwohl ich glaube, zumindest fast aller unsere Mitglieder namentlich zu kennen. Aber auch das Boot, zumal auch etwas zu groß für unseren Verein, war mir unbekannt. Hat da jemand evtl. unsere Seite „gekapert“ oder schmücken wir uns, mangels eigener Berichte, mit fremden Federn?
(Nachtrag: Inzwischen hat sich geklärt, das Lothar Kruse förderndes Mitglied ist).
Dies war ein von mir lange gehegter Traum aus dem Jahr 2015, als Aarhus Kulturhauptstadt wurde. Ich wollte unbedingt auf eigenen Kiel hin. 2018 ging ich es bereits einmal an, allerdings taktisch falsch, da ich zu große Strecken gegen den (vorherrschenden) Westwind geplant hatte. Aber aufgeschoben, ist ja nicht aufgehoben und so hatte ich eine bessere Planung für 2022 vorbereitet Start in Stralsund.
Stralsund – Barhöft (9 sm)
2. Juni 2022. Stralsund Hauptbahnhof. Die Stralsund-Aarhus-Mannschaft – Sylvia und Holger – ist fast pünktlich mit dem 9-€-Express aus Berlin angekommen. Mit 9-€ und unter der Last der Seesäcke entern wir einen Bus weiter zum Hafen. Den wir von Land aus aber nicht so recht auf dem Kompass hatten. Wende! Zwei Stationen Gegenbus. Dann zu Fuß und an Bord der Zsuzsa.
Einen Stadtspaziergang haben wir uns aber nicht entgehen lassen. Sylvia und Holger waren vor dreißig Jahren in Stralsund, zwei Jahre nach der Wende. Das Rathaus hat uns schon damals sehr beeindruckt. Aber der Rest der Stadt war nicht wiederzuerkennen. Ein Eis musste sein; wer weiß, wann wir auf unserer Seereise dazu wieder Gelegenheit haben würden. Dann Reise – Reise. In den leicht dunkel werdenden Spätnachmittag liefen wir aus nach Barhöft am Ausgang des Strelasunds. Vor der Genua. Die anderen – Gegenläufer und Mitkommer, was auf die Windrichtung schließen ließ – liefen auch vor der Genua. Das sollte reichen, und wir freuten uns am guten “Speed”. Solange es lief, denn der Wind kam entgegen der Vorhersage des Skippers zunehmend vorlicher. Und das Fahrwasser wurde enger. Keine gute Kombination, die dann auch keine Alternative zuließ: Maschine Start! Und eigentlich wollten wir unter Segeln einlaufen;-)
In Barhöft erwartete uns – nicht ganz unerwartet – Jakob; ein Segel- und Ruderkumpel aus Berlin. Große Freude, Anlegemanöver, Hallo. Mit Freude entdeckten wir auch ein gemütliches Restaurant am Hafen. Nach dem Törn hatten wir uns ein Bier und ein Essen verdient. Das Bier war gut, das Essen so lala. Die Preise ließen uns schlucken. Na ja; Eingewöhnung auf dänische Verhältnisse.
Barhöft – Hesnaes (48 sm)
Am anderen Morgen starteten wir zu unserer “Königsetappe”. 50 sm ohne Ankerplatz zwischen Barhöft und der Mündung des Storströmmen zwischen Falster und Mön. Kurs Nordwest bei westlichem Wind und schöner Sonne. Müsste schon klappen. Aber die Träume erfüllten sich nicht. Wir sind brav losgesegelt; hoch am Wind. Aber ständig mussten wir zur falschen Seite abfallen, und nachdem wir gegen Mittag dem Ziel nicht entscheidend näher gekommen waren, hieß es “Radaddel an”. Kommentar des Skippers: “Und wenn sie nicht gestorben sind, dann kreuzen sie noch heute.” Es zog sich, und erst nach Sonnenuntergang erreichten wir Hesnaes auf Falster, einen bodenständigen ehemaligen Fischerhafen, ohne Schicki-Micki. Mit einer Imbissbaracke, die jedoch inzwischen geschlossen war. So dass wir an Bord den sagenhaften Reigen Nudeln-mit-Tomatensoße eröffneten.
Am anderen Morgen war der “Imbiss” geöffnet, der sich bei Tageslicht als sehr gepflegte Großbäckerei und Imbisslokal entpuppte. Fantastisch, was da in “offener” Backstube von offenbar Profis an leckerer Backware entstand. Das konnte ein ganzes Hinterland versorgen. An Bord gab es herzhaftes Müsli-Frühstück und dann ab. Hinein in den Storströmmen.
Hesnaes – Femö (31 sm)
Es entwickelte sich ein wunderschöner, sonniger Tag mit leichtem Wind; von halb, und raum. Zusätzlich getragen vom Strom machten wir gute Fahrt und genossen die Landschaft auf beiden Seiten. Sollten wir vielleicht Vejrö erreichen können? Unser Etappen-Traumziel? Es wurde nur eine Insel weniger: Femö. Wo uns – ähnlich zu Hesnaes – ein urständiger Hafen erwartete. Für dänische Familien- Stammgäste. Ordentliche sanitäre Einrichtungen, und – wie vielfach in dänischen Häfen – ein ansprechender Gemeinschafts-Aufenthaltsraum mit komfortabler Küche. Alles unambitioniert. Küche hatten wir aber wieder an Bord: Nudeln-mit-Tomatensoße😉 Diesmal variiert mit einer Dose Thunfisch.
Femö – Agersö (20 sm)
Am anderen Morgen war der Himmel weiter freundlich. Und unserem bisher gutem Vorankommen und unseren ehrgeizigen Zielen stand nichts entgegen: Agersö, einem Etappenziel der ursprünglichen Expressplanung. Wobei wir bei den inzwischen raum- bis achterlichen Winden die Hilfe des frisch erworbenen Blisters in Anspruch genommen haben, mit dem wir den vorausgegangenen Tag gute erste Erfahrungen gemacht hatten. Blister können aber auch ihr tückisches Eigenleben haben, insbesondere, wenn der Wind mal von so und mal von so kommt, und Stagen und Rollfocks im Wege sind. Gerhard entwickelte aber eine bewundernswerte Geduld, und so wurden wir immer wieder von der blau-weißen Kulisse der gigantischen Blase vor uns und viel “Speed” verwöhnt.
Am Nachmittag erreichten wir Agersö mit dem gleichnamigen Ort. Hier fanden wir eine etwas touristisch-gepflegtere Atmosphäre vor. Auch sehr familiär. Aber mit einem dezent gehobenen gastronomischen Angebot. Wir hatten jedoch Zeit und machten uns zunächst auf einen ausgiebigen Spaziergang. Durch den malerischen Ort. Und weiter über die Insel mit einer impressionistischen Sommer- und Seelandschaft. In der Ferne bereits ein nächstes Zwischenziel erkennen lassend: die überwältigende Hängebrücke der Verbindung Nyborg – Korsör. Zurück im Hafen haben wir das Ritual Nudeln-mit-Tomatensoße aufgegeben und gemütlich im Grill-Bistro getafelt und getrunken. Ein Bier! Mehr geht nicht in dänischen Breiten. Den Rotwein haben wir dann zum Abschluss des Tages und abends an Bord getrunken. Geizige deutsche Krämerseele!
Agersö – Samsö (42 sm)
Nun ziehen wir durch. Auch, weil es jetzt keine andere Wahl mehr gibt. Die nächste, vorletzte Etappe ist Samsö. Und dann Aarhus, unser Ziel. Dass wir das voraussichtlich so glatt abreiten, haben wir uns vor der Reise nicht gedacht. Und viele “was machen wir wenn’s” eingebaut, weil Sylvia einen wichtigen Musiktermin in Berlin hatte und unbedingt zum festen Endtag in Aarhus auf dem Zug sein musste. Oder eben von einem Zwischenabgang. Aber alles sah weiter gut aus. Insbesondere der Wind, der bei nun eingetrübtem Wetter weiter achterlich kam, aber inzwischen auf Bf. 4 bis 5 aufgebriest hatte. Herausforderung für den Skipper mit dem Blister. Der seinen Einsatz jedoch nicht immer dankte und sich zuweilen sperrig zeigte, so dass Sylvia und Gerhard alle Mühe hatte, ihn zu bändigen. Und Holger dazu alle Mühe, das Boot auf Kurs zu halten. Irgendwann wurde aufgegeben. Vor der Genua läuft es sich doch auch gut; notfalls wird das Groß hinzugegeben.
Und vor uns lag das Schauspiel der großen Hängebrücke. Ein gigantisches und eindrucksvolles Bauwerk und wagemutiges Stück Ingenieurskunst. Mit einer unglaublichen Spannweite über das Wasser. Und einer der typischen Scheinriesen, wie sie auf See immer wieder am Horizont auftauchen. Wir hatten uns vorher informiert, dass Masthöhen über 15 m angemeldet werden mussten. Aber darunter fielen wir ja nicht. Also segelten wir mutig auf die Brücke zu, aber mit kaskadenartigem Herzattacken, je dichter wir kamen. Ob das wohl gut geht? Direkt unter der Brücke guckten wir erleichtert nach oben: ist noch einmal jut jejangen. Holger wollte dann noch einmal genaue technische Daten und hat ins Netz geschaut. Lichte Höhe 65 m! Hm. Da hatte sich der Mast wohl von seiner größten Seite gezeigt und unser Herz ganz klein. (Die 15-m-Regel gilt für den Westteil der Brücke mit einer lichten Durchfahrtshöhe von 18 m;-)
Wir kamen weiter gut voran und hatten am Nachmittag unser Tagesziel Ballen auf Samsö erreicht. Das Gerhard als mondäneren Ort in Erinnerung hatte. Na ja; kommt immer auf die Umstände an. Etwas verschlafen. Aber immerhin zwei Restaurants. Ein sehr, sehr dänisches mit dem Ambiente von Tante Gittes Esszimmer. Und das Dokken; ein gehoben-maritimes Etablissement. Wir entschieden uns für Letzteres. Es war auch nicht schlecht. Aber hatten wir ein Stück ganz eigenes Dänemark verpasst?
Samsö – Aarhus (32 sm)
Am anderen Morgen empfing uns robustes Wetter, und Regenklamotten mussten klar gemacht werden. Der Wind briste auf, und nach dem Schutz der Hafenmole empfing uns eine kräftige See. Aber raumer Wind und die stabile Zsuzsa erfreuten unsere Seglerherzen, wobei schon einige Arbeit an der Pinne erforderlich war. Vor uns die Bucht von Aarhus mit dem Ziel zu erahnen, wenn nicht gerade dahin fetzende Wolken oder eine Schauerfront uns die Sicht nahmen. Und das Schiff machte bis zu sieben Knoten. Langsam kam Spannung auf. Aarhus bietet zwei Hafenplätze: Den alten Stadthafen, und eine neue “Marina”; aber was ist wo zu finden? Gerhard entschied sich für den Stadthafen, der von See aus rechts an der Stadt liegen sollte. Tat er auch; aber erst, nachdem wir der Küste doch nahe gekommen waren und Orientierung gefunden hatten. Um die Mole, und dann – oh Wunder, mare tranquillitatis – der Tanz vor Wind und Wellen war vorbei. Geschafft!
Der Stadthafen von Aarhus ist von seiner Größe eindrucksvoll mit Wassersport ohne Ende. In den Boxen lange Kaskaden einheitlicher Bootsklassen in High-End-Qualität. Offenbar gesponsorte Vereinsboote, die ständig in Gruppen zu Training oder Regatten hinausfuhren. Auch Waveboards, Paddler, Kajaker, Ruderer. Dänemark scheint ein wassersportverrücktes Land zu sein.
Aarhus ist eine interessante und spannende Stadt, die auf den “Straßen lebt”, sofern der Regen weg ist. Es ist die zweitgrößte Stadt Dänemarks, aber erkennbar auch eine Studentenstadt, wo viele junge Menschen flanieren; gern ein Püllekin Bier in der Hand. Wir haben die Stadt erkundet, bevor es dann für Sylvia und Holger Zeit für die Abreise nach einem eindrucksvollen Törn war.
Liegeplätze waren auf der ganzen Reise kein Thema, auch nicht in Aarhus. Ein Umstand soll aber erwähnt werden, der einen alten Mann wie unseren Skipper “erzürnt”. In den meisten Häfen gibt es inzwischen keine Hafenkapitäne mehr, sondern nur noch Automaten zum Anmelden. Inzwischen stark verfeinert. Man muss seinen Bootsnamen eingeben, seine Rufnummer, seine Emailanschrift…, wirft Geld oder die Kreditkarte ein und erhält dann einen Voucher, den man am Boot anpinnt. Aarhus (aber auch Kopenhagen) ist bereits ein Schritt weiter. Hier wird ein QR-Code gescannt und dann mit Kreditkarte bezahlt. Das hat bei mir aber Grenzen überschritten, und ich habe mich verweigert. Ich weiß auch nicht, ob diese Errungenschaften klug sind, denn viele Segler, die ich unterwegs treffe, sind auch alte weiße Männer, die das so nicht wollen. In Kopenhagen hatte ein (sogar deutlich jüngerer Mitsegler) das QR-System probiert, einen Fehler gemacht und anschließend waren die Kreditkarte und das Konto gesperrt. Zum Glück fand sich in Aarhus und auch in Kopenhagen dann für sture Typen wie mich doch ein Ausweg, und ich konnte bar bezahlen.
Törnbericht aus der Feder von H. Drost
Törnbericht aus der Feder von G. Buggenhagen (im Mitgliederbereich)