Historie

Clubhaus
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Segelboote im Kutscherhaus: Der SV Alsen Berlin residiert seit 1974 in historischen Gemäuern
Sicher ist sicher: Die Polizei ist dabei, als sich am 18. Dezember 1972 neun Segelfreunde zur Gründungsversammlung der Segler-Vereins Alsen Berlin, SVAB, treffen – sieben davon sind Kriminalbeamte. Die Not treibt sie zusammen. Es ist eng auf den West-Berliner Gewässern. „Die bestehenden Segelvereine sind so überfüllt, dass sie bereits seit einiger Zeit absolute Aufnahmesperren beschließen mussten“, heißt es im ersten Protokoll. Mit einem neuen Verein wird das Problem gelöst. Auf 100, 125 oder gar 150 Jahre bringen es die Clubs in der Nachbarschaft, gemessen daran zählt der SVAB zu den jüngsten am Wannsee.

Wo einst die Kutschen parkten
In der ehemaligen Villenkolonie Alsen finden die Polizeisportler ein Gelände, entsprechend wählen sie den Namen. Das Bezirksamt Zehlendorf bietet ein altes Gesindehaus mit Pferdestall und Remise zur Pacht. Einst war es Teil der schlossähnlichen Villa Herz, die nach dem Krieg zunächst als Jugenderholungsheim genutzt wird und heute als prächtige Filmkulisse dient. Die „Alsener“  machen sich schnell an die Arbeit, restaurieren das schmucke, aber arg verfallene Fachwerkgebäude. Wo einst Kutschen parkten, werden bald Segel gelagert, wo Pferde standen, Vereinsversammlungen abgehalten. Mit viel Eigenarbeit schaffen die Mitglieder für sich und ihre Familien einen Platz, wo sie gemeinsam ihre Freizeit verbringen können. Und warum sind es vornehmlich Beamte, die den SVAB 1972 ins Leben rufen? „Es war eine Zeit, in der die Westberliner eingemauert waren“, schreibt Gründungsmitglied Ernst Schilling Jahre später. Mal eben zum Wochenende nach Westdeutschland fahren? Nicht praktikabel, erst recht nicht für Polizisten. „Zum Kreis derer, die aus Sicherheitsgründen sowohl nicht in die DDR reisen als auch die Transitwege nicht benutzen durften, gehörten Angehörige des öffentlichen Dienstes“, erinnert sich Ernst Schilling, der sich später ganz dem Verein verschreibt und nach seinem Tod sogar sein Vermögen dem SVAB vermacht.

Endlich eigene Stege
Überfüllte Wasserflächen, überteuerte Liegeplätze, die SVAB-Segler haben mit dem neuen Gelände einen Rückzugsort gefunden. Einen Steg gibt es allerdings zunächst nicht. Ein Dutzend Boote liegt an Bojen vor dem Garten des Gesindehauses auf Reede. Erst 1975 wird der Bau einer Steganlage genehmigt, später wird dort Platz für 41 Segelboote sein. Eine Slipanlage mit Slipwagen ermöglicht es seither, die Boote im Winter an Land zu holen. Auf der großen Wiese vor dem Fachwerkhaus ist Platz für das Winterlager.

Engagement für den Segelsport
Schon sehr früh ist Gerd Rutetzki dabei. Seit 1982 führt er die Geschicke des Vereins und ist damit nach Dietrich Breyer und Alfred Günther der dritte Vorsitzende. Als Segler eines Tempest, einer Delanta und eines Drachen macht er sich von Beginn an für die sportliche Seite des SVAB stark. Wanderpokale werden ausgesegelt, Vereinsregatten ausgerichtet. Auch die Jugendarbeit liegt ihm früh am Herzen. Während seiner langen Tätigkeit für den Verein erlebt Gerd Rutetzki aber auch, wie sich die Flotte der Mitglieder allmählich verändert. Zu Beginn machen vor allem Jollen und kleinere Boote am Steg fest, allein 13 Variantas segeln eine Zeitlang unter Alsen-Stander. Doch der Wunsch nach dem größeren Fahrtenschiff ist nicht zu übersehen. Bei 30 Fuß Bootslänge allerdings ist Schluss. Und mit seinen etwa 100 Mitgliedern gehört der SVAB weiterhin nicht nur zu den jungen, sondern auch zu den eher „familiären“ Vereinen am See. Klein, aber fein. Nur eines hat sich seit 1972 verändert: Der SVAB hat sich längst geöffnet für Segelfreunde aller Art. Sicher ist sicher – heute sitzen Vertreter vieler Berufsgruppen in den Booten der „Alsener“.

Text: Frank Capellan, 6.10.2016